Im Obergeschoss des Landschaftsmuseums in einer Vitrine am Ende des Flures, von dem aus die Benediktinermönche ehemals ihre Zellen betraten, ist zwischen fein geschliffenen Gläsern und edlem Porzellan ein Beutel, verschmutzt durch Mörtelreste, zu entdecken. Dieses auf den ersten Blick nicht gerade attraktiv zu nennende Ausstellungsstück ist jedoch für die Regionalgeschichte von nicht unerheblicher Aussagekraft.
Genäht aus einem einstmals rotbraunen Samt und mit einer Fransenbordüre aus Golddraht versehen, ist die Vorderseite mit Silberdraht und Glasperlen bestickt. Zu sehen sind ein großes, geschwungenes „L“-Monogramm und darüber eine Krone. Wichtig ist die Jahreszahl 1847, die nicht zu übersehen ist. Der Fundort „1948 im Bauschutt“ der evangelischen Kirche, als der Gemeindesaal, heute „Café K“ ausgebaut wurde, lässt Rückschlüsse auf die einstige Funktion des Beutels zu. Es ist wohl der erste Klingelbeutel der Gemeinde und sicherlich ein Geschenk Seiner Königlichen Hoheit Ludwig Großherzog von Hessen.
Dessen Hofgerichtsadvokat und Historiograf, Hofrat Dr. Johann Wilhelm Christian Steiner begann seit dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts damit, die in den Kommunen der Umgebung Seligenstadts lebenden evangelischen Christen zusammenzuführen. Doch erst nach vielen kleinen Schritten wurde im November 1845 auf „allerhöchste Veranlassung“ die noch zur Pfarrei Babenhausen gehörende Filialgemeinde zur eigenständigen Pfarrei Seligenstadt erhoben. Noch zwei weitere Jahre sollte es dauern bis am 23. September 1847 die Einweihung der „neu erbauten evangelischen Kirche zu Seligenstadt“ erfolgen konnte.
Das aufwändige Rahmenprogramm dieser Feier ist überliefert, auch einige der Gastgeschenke sind bekannt. So spendete die israelitische Gemeinde Seligenstadt ein silbernes Hostiengefäß und aus Babenhausen kam der silberne Abendmahlskelch.
Welcher der Honoratioren jedoch das eigens angefertigte großherzogliche Geschenk übergab, das wissen wir leider heute nicht mehr.
Achim Zöller M.A.