Die Bormann-Uhr

Der Schrecken war groß, als im April 1996 bei einem nächtlichen Einbruch in das Landschaftsmuseum - die Alarmanlage war noch nicht installiert – wertvolle Ausstellungsstücke, darunter Gemälde, Skulpturen, sakrale Gegenstände sowie eine Biedermeier-Standuhr gestohlen wurden. Bundesweit wurden Kunsthändler anhand von Fotos über den Diebstahl informiert und tatsächlich konnte nur knapp vier Monate später das Polizeipräsidium Offenbach melden, dass der spektakuläre Kunstdiebstahl vor der Aufklärung stünde. Bald darauf waren alle Gegenstände – bis auf einen Weihwasserkessel – wieder im Museum, darunter auch die Standuhr, die allgemein nur Bormann-Uhr genannt wird, und von der heute erzählt werden soll.

Pater Stephan Bormann aus der Abtei Seligenstadt war ein geschickter Mechaniker. Er war 1765 in Aschaffenburg geboren worden, trat 1787 in unser Benediktiner-Kloster ein und war nach der Säkularisation 1803 bis zu seinem Tod 1833 Pfarrer in Lämmerspiel. Er war ein Mann, der nicht weltentrückt in seiner Zelle lebte, sondern jemand, der mit beiden Beinen auf der Erde stand: nämlich ein begabter Uhr- und Büchsenmacher. Dazu war er couragiert, setzte er doch den französischen Truppen, die der Abtei Pferde entwendet hatten, nach und nahm ihnen den Raub wieder ab.

Ein besonders schönes, elegantes Stück, das Pater Bormann um 1800 in unserer Abtei fertigte, ist die Standuhr, die er auf der Rückseite signierte und die respektvoll nur Bormann-Uhr genannt wird. Sie ist gut zwei Meter hoch, nur 37 cm breit; sie hat einen gerippten Aufsatz, der mit einer Vase bekrönt ist: ein klassisches Stück des Biedermeier.

Die Uhr bietet sich Ihnen bei einem Museumsbesuch trotz ihres Alters in nahezu perfektem Zustand dar. In der Zeit ihrer „Abwesenheit“ aus dem Museum wurde das gute Stück von einem Antiquitätenhändler für einen Käufer in Restauration gegeben. Abstehende Furnierteile wurden befestigt, Messingteile poliert und das Email des Ziffernblattes ergänzt. Fast wie neu kam sie an ihren angestammten Platz zurück. Manchmal hat man eben Glück im Unglück….

Margret Schöneich