Als ich mir vor vielen Jahren vom ersten selbstverdienten Geld eine Bildnisminiatur aus der Biedermeierzeit kaufte, schüttelte meine Familie nur den Kopf: so viel Geld für so ein kleines Ding! Es kamen im Laufe der Zeit noch einige dazu und bis heute haben diese kleinen Kunstwerke meine ganze Zuneigung. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ich meinem Lieblingsstück, einer Miniatur Kaiser Joseph II in einer Vitrine im Kaiserzimmer des Landschaftsmuseums immer wieder gerne einen Besuch abstatte.
Im Unterschied zur Tafelmalerei, wo mit Tempera oder Ölfarbe auf Holz oder Leinwand gemalt wird, benutzt der Miniaturist Deck- oder Wasserfarben. Gemalt wird auf Papier, Pergament, Seide, Kupfer, Silber und Gold. Die Entdeckung des Elfenbeins im späten 17. Jahrhundert kann für die Miniaturmalerei –speziell die Bildnismalerei- als epochemachend bezeichnet werden, verstärkt dieser Malgrund doch ganz entscheidend die Leuchtkraft der Wasserfarbe.
Die Verwendung von Bildnisminiaturen ist vielseitig. Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert wurden sie in einer Metallfassung gerahmt als Kettenanhänger getragen. Als Schmuckappliqué wurden sie auch auf andere Gegenstände aufgesetzt oder in diese integriert, z.B. in den Deckel einer Dose, speziell in den der damals sehr beliebten Tabakdose, der Tabatiere. Die Bildnisdose wurde zum festen Typ, die den verschiedensten zwischenmenschlichen Beziehungen Ausdruck verleihen konnte. Sie konnte vom Herrscher mit dessen Bildnis als repräsentatives Geschenk für geleistete Dienste gegeben oder als Gabe rein persönlicher Verbundenheit überreicht werden: ein breiter Spannungsbogen vom kleinen Kunstwerk reiner Gestaltung bis zum Symbol persönlicher Gedanken und Empfindungen.
Und damit sind wir zurück bei der Miniatur Joseph II, die Ende des 18. Jahrhunderts in Aquarelltechnik entstand und sich in einem Rahmen des 19. Jahrhunderts befindet, in den sie weder vom Oval noch vom Stil hineinpasst. Vielmehr darf davon ausgegangen werden, dass sie ursprünglich den Deckel einer Tabatiere schmückte. Joseph ist dargestellt in der Offiziersuniform des Dragonerregiments und trägt eine Perücke im Stil seiner Zeit.
Joseph II war ältester Sohn von Kaiser Franz I und Maria Theresia. Geboren 1741 war er seit 1765 Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation und Mitregent seiner Mutter, zu der er oft in Gegensatz stand. 1780 wurde er Alleinherrscher, hatte freie Hand und modernisierte das Reich –gegen alte Herrschaftsstrukturen- im Sinn des aufgeklärten Absolutismus. „Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk“, war sein angeblicher Leitspruch, der seinen Regierungsstil auch zutreffend charakterisiert. In einer „Revolution von oben“ schaffte er die erbliche Leibeigenschaft ab, verbesserte die rechtliche Stellung der Bauern und Soldaten, dehnte die Besteuerung auf Adel und Geistlichkeit aus. Kontemplative Klöster, die ihre Aufgabe in erster Linie im Gebet sehen, wurden von ihm aufgehoben; ihre Güter flossen in einen Religionsfonds für karitative, erzieherische und pastorale Aufgaben. Er reformierte das Strafrecht, schaffte das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und versuchte, Deutsch im ganzen Reich als Amtssprache durchzusetzen.
Bei allem war Joseph aber auch ein Freund der schönen Künste, besonders der Musik. Eine enge Beziehung pflegte er zu Mozart; in Josephs Auftrag entstanden „Die Entführung aus dem Serail“ und „Cosi fan tutte“. „Die Hochzeit des Figaro“ wurde 1786 in Josephs Beisein uraufgeführt. Die in dieser Oper enthaltene Kritik an den Vorrechten des Adels entsprach so recht den Vorstellungen Josephs von aufgeklärter, absolutistischer Politik.
Wem Joseph II diese Tabakdose mit seinem Bildnis, das heute im Landschaftsmuseum liegt, schenkte, bleibt wohl immer ein Geheimnis. War es ein Geschenk an einen seiner treuen Beamten für geleistete Dienste oder vielleicht doch eine sehr persönliche Gabe an Wolfgang Amadeus Mozart, mit dem ihn so viel verband? Letztere Vorstellung würde mir sehr zusagen.
Margret Schöneich