Neben zahlreichen Drucken des Karlslebens, die das Landschaftsmuseum besitzt, ist der 1521 in Köln verlegte der „köstlichste“: Der Habsburger Karl V. steht edel gewandet neben Karl dem Großen, der eher den Eindruck eines wilden Mannes hervorruft. Warum? Das wäre einer weiteren Betrachtung wert.
Doch zurück zur „Vita Caroli Magni“, die Einhard zwischen 825 und 830 verfasste. Sie beschreibt das Leben des Kaisers und zählt in ihrer historischen und literarischen Qualität zum Besten, was das Mittelalter an Biographischem hervorgebracht hat. Die besondere Bedeutung des Werkes liegt darin, dass sie von einem Zeitzeugen geschrieben wurde: Einhard war enger Vertrauter Karls des Großen und weilte von 794 bis zum Tode des Kaisers am Aachener Hof.
Karls des Großen Studien galten dem Kirchenbau, zu dem er adlige und bischöfliche Bauherren anregte, der Beschaffung von Kultgeräten und der ordnungsgemäßen Feier der Liturgie. Seine Bemühungen um reformierende Vereinheitlichung des Kirchenrechts, um den organisatorischen Neubau der karolingischen Kirche, um eine christliche Lebensführung der geistlichen Gemeinschaften, um die sittliche und religiöse Unterweisung der Untertanen werden jedoch nur kurz aufgezählt. Eigenartig mutet an, dass Einhard nichts über Geburt und Jugend seines Kaisers zu wissen scheint. Dessen vier Ehegattinnen und Konkubinen stellt uns der Augenzeuge hingegen namentlich vor, ebenso die Töchter und Söhne.
Das Lebensbild Karls scheint mehr ein Epitaph (Grabinschrift) als eine Biographie zu sein, denn Einhard zeichnet das Idealbild eines Herrschers. Kritische Untertöne wie dessen Geschwätzigkeit und vergebliche Bemühungen, die Kunst des Schreibens zu lernen, sind selten. Dennoch, die kulturellen und politischen Abschnitte des Werkes, in denen Einhard in erzählender Form seine persönlichen Ansichten ausdrückt und die einen doch einzigartigen Einblick in die Gefühle eines Zeitgenossen erlauben, der aus dankbarer Verbundenheit dem großen Franken ein bleibendes Denkmal schuf, machen Einhards Leistung so wertvoll.
Herbert Reiß