Franz Böres ist in Seligenstadt immer noch ein wenig unbekannt, obwohl dem Ehrenbürger der Stadt eine Straße gewidmet ist. Die Älteren kennen ihn als Maler meist düsterer Bilder, darüberhinaus vielleicht auch als einfühlsamen Portraitisten. Aber den Entwurfszeichner, der am Anfang des vergangenen Jahrhunderts für bedeutsame Firmen wie WMF oder Fahrner-Schmuck arbeitete und immer wieder auf Weltausstellungen vertreten war, wer kennt schon diese Seite seines Schaffens?
Deshalb betrachten wir heute einen bravourös mit Wasserfarben und Tusche gezeichneten Entwurf eines Abendmahlkelches. Denn kunstfertig ist er gestaltet. Licht und Schatten zaubern Effekte – fast glaubt man, den Kelch greifen zu können. Vergoldung und farbiges Email in Rot und Blau stechen in die Augen. Es ist ein prächtiger Pokal mit seltsam verspielt gotischem Dekor.
Exakter Längs- und Querschnitt sind auf dem Blatt zu sehen, auch ein einzelnes Ornamentfeld. Deutlich gibt dies die mit Email zu füllenden Zellen wider und lenkt dabei den Blick auf kleine Unsicherheiten im Umgang mit Zirkel und Vorzeichenstift. Das macht das alles so interessant. Wann könnte der Entwurf entstanden sein? Ein „B“ ist erkennbar, damit signierte der Künstler aber erst im hohen Alter ihm wichtige aber weitaus früher entstandene Arbeiten. Die kleinen „Patzer“ und das freie Spiel mit dem Formenschatz der Gotik sprechen dafür, dass dieser Entwurf zwischen 1886 und 1891 entstanden sein mag. Damals begann der Vierzehnjährige seine Ausbildung an der Königlich-Preußischen Zeichenakademie in Hanau und die Mode, alte Stilformen nachzuahmen, stand in hoher Blüte.
Achim Zöller M.A.