Seit Ende des 19. bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bot Perlenhäkelei zahlreichen Frauen und Mädchen die Möglichkeit, das schmale Familieneinkommen aufzubessern. Damals waren Seligenstadt und die Gemeinden bis in den Vorspessart hinein Zentrum dieser besonderen Heimarbeit.
Daran erinnert eine Fachabteilung des Landschaftsmuseums.
In drei Ausstellungsräumen ist anschaulich nachvollziehbar, wie das Kunsthandwerk in unsere Region kam, warum es so erfolgreich war, für wen tage-, ja nächtelang, gearbeitet wurde und mit Perlen oder Pailletten verzierte Kleider, Taschen und modische Accessoires entstanden.
Zwischen all dem „mondänen“ Glänzen und Glitzern ist ein Kinderkleid ausgestellt, unscheinbar und mit nur wenigen Perlen verziert. Wer es gearbeitet hat, das wissen wir nicht mehr; doch wie es entstand, das ist im Museum erfahrbar.
Denn dort ist auch eine Waage zu sehen. Eine Waage mit Gewichten, aber auch mit Stoff, Garnen, Perlen und Taschenbügel: In Einzelteilen abgewogen erhielt die Heimarbeiterin ihren Arbeitsauftrag, der nach Fertigstellung erst gegengewogen vom Auftraggeber zurückgenommen wurde. Waagen wogen damals nicht so exakt wie heute. So konnten jeweils einige wenige Glasperlen “abgespart“ werden. Sie dienten wahrscheinlich dazu, das „schlichte Festgewand“ zu verzieren.
Das hatte durchaus seine Berechtigung, denn bis 1911 durften Kinder ihre Mütter bei der Heimarbeit unterstützen: Dank guter Augen fädelten sie geduldig die im böhmischen Gablonz auf enge Fadenstränge gefädelten Glasperlen auf längere, der Häkelarbeit entsprechende Garne, um.
Achim Zöller