Heute besuchen wir wieder einmal die Abteilung Kreismuseum der Heimatvertriebenen. Dort ist in einer Vitrine des Raumes, der sich den Traditionen des „Sudetenlandes“ widmet, ein seltsames Figürchen zu sehen.
Gebeugt von einem arbeitsreichen Leben und bekleidet mit Rock, Schürze, wärmender Jacke und Kopftuch sitzt eine alte Frau auf einem grob gezimmerten Hocker vor einem riesigen Stuhl. Darauf ist ein seltsames Gebilde zu entdecken: Ein längliches Kissen, auf einem Brett liegend und mit Nadeln gespickt, die eine Spitzenborde halten. Sonderbare Kegel hat die Alte in ihren Händen. Es ist ein recht derb geschnitztes und schlicht bemaltes Holzfigürchen einer Spitzenklöpplerin. Ob die Figur einst Teil einer für die Volkskunst des Erzgebirges typischen Krippe war, in der auch gerne Lebensszenen und Berufe geschildert wurden, oder zu einem „Eingericht“, einer Miniaturwohnstube gehörte, lässt sich heute nicht mehr klären, die Aussparung der Bodenplatte jedoch spricht für eine solche Verwendung.
Brüsseler Spitzen genießen noch heute Weltruhm. Doch schon vor über 300 Jahren kam die hohe Kunst, feinste Spitze aus Leinen-, Seide- oder Baumwollgarn herzustellen, auch ins Erzgebirge. Die Hugenottin Barbara Utmann erkannte damals die Chance, mit Klöppeln Geld zu verdienen und Einkommensflauten in der Waldwirtschaft und dem Bergbau einzudämmen. Und so klöppelten schon bald ganze Familien von der Urgroßmutter bis zur Enkelin und winters sogar Männer, denn das Interesse an feinen Borden für Bettwäsche, Kleider und Tüchlein war gerade in den „besseren Kreisen“ stets groß.
Als Handwerkszeug genügte ein fest gestopftes Kissen, Holzstäbe, auf die das Garn gewickelt war, und Nadeln, um das jeweilige Muster – den Klöppelbrief – festzuhalten. Die Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs brachten dieses alte Kunsthandwerk auch in unsere Region.
Während der Klöppel-Sonntage im Landschaftsmuseum, am 30. Oktober und 06. November wird die Kunst der Spitzenherstellung wieder vorgeführt werden. Wer dabei zusieht, der sei gewarnt. Es kann einem fast schwindelig werden, so geschwind tanzen die Finger der Kunsthandwerkerinnen hin und her, auf und ab und wirken die Spitzen durch eifriges Kreuzen und Drehen. Das typische Klappern der hölzernen Klöppel ist dabei sicher nicht zu überhören.
Achim Zöller M.A.