Der Nürnberger Geleitslöffel

Wenn man von Geleit spricht, ist jeder Seligenstädter sofort im Bilde. Schließlich ist das Geleit der Augsburger und Nürnberger Kaufleute ein nicht zu verachtender Teil der Stadtgeschichte. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass man zahlreiche Exponate im Landschaftsmuseum Seligenstadt findet, die über den mittelalterlichen Kaufmannszug Auskunft geben. Der Nürnberger Geleitslöffel ist ein besonders schönes Exemplar, das ich an dieser Stelle nun näher präsentieren möchte.

Der kunstvoll geschnitzte Löffel wurde aus einem Stück Nussbaumholz gefertigt und misst gut 77cm. Die angebrachte Kette, die sich aus 15 einzelnen, hölzernen Gliedern und einem abschließenden Haken zur Befestigung zusammensetzen, ist etwa 1,10m lang. Der Stiel wurde mit einer fein gearbeiteten Lorbeerblattornamentik verziert und verjüngt sich zum Ende hin. Auf der Unterseite des Stieles findet sich ebenso eine Blattverzierung. Die Löffelschale ist annähernd halbkugelförmig und wurde mit einem Messingblech glatt ausgelegt. Wie die anderen Geleitslöffel auch fasst sie gut einen Liter. Auf dem Stielkopf sitzt ein ebenso geschnitzter Adler, der die Flügel ausbreitet. Mit seinem Schnabel hält er einen Lorbeerkranz fest, woran die Kette befestigt ist. Die Fratze auf der Rundung, auf der der Adler sitzt, ist nur auf den zweiten Blick wirklich zu erkennen, doch dann sieht man sie immer wieder. Der Adler aber dominiert das Kunstwerk, das wohl nach 1700 von einem unbekannten Künstler angefertigt wurde und somit ein Ausdruck des deutschen Hochbarockes ist.

Doch was dem Seligenstädter wohl nicht bekannt sein dürfte, ist, dass der Adler nicht nur der Verzierung galt, sondern auch für die Nürnberger Kaufleute eine besondere Bedeutung hatte. Seit etwa 1225 trug Nürnberg den Adler im Wappen, als Zeichen dafür, dass es eine Freie Reichsstadt war.

Dadurch wurden die Nürnberger Kaufleute nach einer langen Reise von Nürnberg zur Zwischenstation Seligenstadt beim traditionellen Löffeltrunk immer an das heimatliche Wappen und somit auch an die Heimatstadt selbst erinnert.

Der Löffel weilte stets in Seligenstadt und wurde nur zwei Mal im Jahr benutzt. Die Frankfurter Messen waren jedes Jahr immer um die Osterzeit, weswegen die Frühjahrsmesse auch Ostermesse genannt wurde, und in der Herbstzeit. Doch selbst nachdem das Geleitswesen 1803 aufgehoben wurde, blieb der Löffel als Fremdenattraktion in aller Munde.

Ende des 19. Jahrhunderts gelangte das Original samt geführten Hänselbüchern nach Frankfurt ins Historische Museum. Das im Landschaftsmuseum ausgestellte Stück ist ein detailgetreues Abbild. Sehen Sie sich den Geleitslöffel doch noch einmal genauer an.

Simone Stillger B.A.