Eine von den Gästen unserer Stadt immer wieder gerne besuchte Abteilung des Landschaftsmuseums ist der regionalen Perlenhäkelei gewidmet. Das Glänzen und Glitzern in den Vitrinen fällt sofort ins Auge und begeistert, doch so manches, eher unscheinbare Ausstellungsstück ist deshalb leicht zu übersehen. So betrachten wir heute Lieblingsstücke, die trotz ihrer Schlichtheit ungemein aussagekräftig sind und einiges über fleißige Heimarbeiterinnen erzählen. Denn die Häkelstickerei auf Kleidern und Taschen bot Ende des 19. Jahrhunderts bis etwa in die 60er Jahre des darauffolgenden zahlreichen Frauen die Möglichkeit, das Einkommen ihrer Familien aufzubessern.
In einer Vitrine, gleich am Beginn des Museumsrundgangs, die zur Herstellung der schimmernden Kostbarkeiten benötigten Materialien, wie Glasperlen, Pailetten, feinste Häkelnadeln und Garne zeigt, aber ebenso einen Einblick in den Arbeitsablauf gibt, entdecken wir zwei Zettel aus dem Jahr 1925: Arbeitsaufträge für Frau Lucia Acker in Seligenstadt und gefunden auf dem Dachboden eines Hauses an der Babenhäuser Straße.
Applikationen und Kleider werden genannt, darunter ein weißes und ein orchidee- farbenes für den Abend, beide á 5 Mark Arbeitslohn je Stück zu häkeln. Dazu eine Terminangabe und, doppelt unterstrichen, „müssen“ und „ohne Flecke“. Nun, leicht war das Los der braven Kunsthandwerkerinnen nicht.
Neben der Sorge um ältere Familienmitglieder, um die meist zahlreichen Kinder und die Männer, die oftmals nur in den benachbarten Großstädten Arbeit fanden, leisteten die fleißigen Frauen in Heimarbeit Großartiges. Großartiges, das wir heute bewundern dürfen. Wie viel tausend Glasperlen mussten verhäkelt werden, um ein schickes Abendkleid zu gestalten, wie viel an Zeit brauchte diese Tätigkeit? Ob die verwöhnte Dame daran dachte, wenn sie auf mondänen Soireen Cocktails schlürfte oder die Nächte in Berlin, Frankfurt oder München durchtanzte? Anzunehmen ist dies kaum.
Achim Zöller M.A.