1188 hielt Friedrich I. Barbarossa urkundlich belegt Hof in Seligenstadt, um mit spanischen Abgesandten die Vermählung seines fünfzehnjährigen Sohnes Konrad von Rothenburg mit der kastilischen Prinzessin Berengaria, Tochter des spanischen Königs Alfons VIII., vertraglich auszuhandeln.
Aus diesem Anlass wurde 1187 das Romanische Haus errichtet. Dieses war später Amtssitz des kaiserlichen Vogtes, einem Reichsministerialen, der unmittelbar dem Kaiser unterstellt für die hohe Gerichtsbarkeit zuständig war, dann Amtshaus des Schultheisen, der die Geschäfte des Erzbistums und des Klosters führte. Ende des 16. Jahrhunderts wird es als "Judenschule" bezeichnet, worunter wir eine Synagoge verstehen dürfen. 1987 wurde die stadtgeschichtliche Bedeutung in einem Artikel der Architekturzeitschrift "Die Bauwelt" hervorgehoben. Die Stadt Seligenstadt sanierte das Denkmal für 1,26 Millionen DM und erhielt dafür den Denkmalschutzpreis des Landes Hessen.
Der zweigeschossige Bau wurde mit verputztem Bruchsteinmauerwerk, Basaltlava- und Sandsteinkieseln und über 6.000 Backsteinen erbaut. Backsteine wurden für scharfe Kanten, Bögen, Gewölbe und geschwungene Mauerflächen verwendet, für Bauteile also, die man mit Kieseln nicht hätte mauern können. Im Erdgeschoss geben zwei Torbögen den Blick ins Innere der Halle frei, wo der Zehnt, die Steuer des Mittelalters, in Naturalien abgeliefert werden musste. Das Dachgeschoss wurde als Trockenspeicher oder als Lagerraum für Getreide und Früchte genutzt. Ein Tor aus Holz, mit Gewänden aus großen Sandsteinen, liegt an der Außenseite zur Straße hin und konnte mit einem Riegelbalkenkanal verschlossen werden.
Von besonderer Schlichtheit ist im Obergeschoss die Stufengiebelseite mit zwei romanischen Zwillingsfenstern, jeweils mit Säule, Kapitell und attischer Basis, einem Rundbogenfenster mit Mittelachse im Dachgeschoss, einem Zwillingsfenster an der Hofseite und zwei Zwillingsfenstern zur Straße hin. Ihre Säulen stehen auf attischen Basen mit Eckfüßen, haben einen konisch runden Schaft und tragen Würfelkapitelle mit Blättern und Voluten. Das Backsteinzierband der Traufseite, das sogenannte Deutsche Band, gliederte das Haus ursprünglich auf allen vier Seiten und ist ein Stilelement der romanischen Kunstepoche.
Das Obergeschoss war als Saal ausgebildet. Hier war die Wohnung des kaiserlichen Vogtes, denn eine Nutzung als Wohnhaus schloss damals eine gleichzeitige Nutzung als Amtshaus nicht aus. Eine Tür mit Volutenmalerei von 1559 bildete den Durchgang zum im 16. Jahrhundert noch vorhandenen Nachbarhaus. Eingerichtet war der Saal mit Tisch und Bänken, mit Küchengeräten, Truhen, Bettkästen und Betten. Hier befand sich auch ein Kamin zwischen den Fenstern der Straßenseite. Er bestand aus einer flachen Nische, flankiert von zwei achteckigen Säulen mit Gesims und Kaminhut. Eine Abortnische war ebenfalls vorhanden. Der schlichte Holzfußboden war 1302 aus Eichendielen gefertigt und die Holzbalkendecke stützen noch heute kräftige Pfeiler. Reste von Wandmalereien weisen auf das 16. Jahrhundert.
Das Romanische Haus ist das erste Profangebäude der Stadt aus Stein. Die Bürger wohnten zu jener Zeit in einfachen Fachwerkbauten. Der Volksmund nennt das Steinerne Haus auch gerne "Alte Vogtei" oder "Rathaus", denn wir befinden uns an seinem Standort im "Rath", dem früheren Marktplatz. Heute wird das Gebäude als Standesamt und für vielfältige kulturelle Veranstaltungen genutzt.
Herbert Reiß