Von der langen Besiedelungstradition Seligenstadts zeugen viele Überreste, die im Laufe der Jahrhunderte hier verschüttet gegangen waren und bei Grabungen, entweder beabsichtigt oder durch Zufall, wieder hervorgetreten sind. Das Landschaftsmuseum stellt viele Exponate aus, die von der Zeit als römisches Kohortenkastell an, die Geschichte der Stadt widerspiegeln. Ein besonderes Stück möchte ich nun näher vorstellen. Es handelt sich um eine auf den ersten Blick eher unscheinbare Tonscherbe, wie es ihresgleichen viele gibt, doch kann dieses Fragment mehr erzählen.
Es handelt sich hierbei um ein Stück Terra-Sigillata, sehr teures Tafelgeschirr, das als Luxusgut aus den südlichen römischen Provinzen importiert und bis an die Limesgrenzen nach Germanien gebracht wurde. Der rötlichbraune Ton hatte wahrscheinlich die Form einer flachen, großen Schale, die mit verschiedenen Motiven verziert war. Auf der Scherbe, die etwa 8x15cm misst, ist noch eine Zierborte mit „U“-förmigem Dekor zu sehen, sowie einige Blätter und die Ansätze weiterer Muster, die jedoch durch die Bruchkante verloren gegangen sind. Oberhalb der Zierborte wurde eine Inschrift eingeritzt, die „OGABI NVNDINIINSIVM“ besagt. Aus dem lateinischen Begriff nundinae, was Markt oder Markttag bedeutet, kann man schließen, dass es sich bei der Schale um ein Utensil gehandelt hat, das für den hiesigen Markt gebraucht wurde, vermutlich wurden Waren darin gelagert, präsentiert oder transportiert. Leider ist auch hier die Bruchkante schuld, dass das Wort „OGABI“ nicht vollständig überliefert wurde und man nicht genau weiß, was es heißen soll.
Anhand dieser Schale haben wir heute aber auch erst mal ein Indiz, dass sich hier überhaupt ein Markt entwickelt hatte.
Die Scherbe wurde durch Zufall 1953 auf dem heutigen Marktplatz gefunden. Im Dezember wurde sie ausgegraben, als der Weihnachtsbaum aufgestellt werden sollte. Diese kleine Scherbe hat damit nicht nur das Zeugnis erbracht, dass im Kohortenkastell Seligenstadt ein Markt existierte, sondern ist auch der erste Fund, der beweist, dass sich in einem Limeskastell in Obergermanien Händler zusammengefunden haben, wie Karl Nahrgang in seinem Werk über die Bodenfunde im Kreis Offenbach schrieb.
Heute liegt die Scherbe zwischen weiteren sehenswerten Überresten der Zeit in der Ausstellung über die Römer in Seligenstadt und erzählt jedem Wissbegierigen ihre Geschichte. Kommen Sie doch einmal vorbei und lassen sich in die Welt der Römer entführen.
Simone Stillger B.A.