Als Christus nach seiner Taufe, die er von Johannes empfangen hatte, aus dem Wasser des Jordan stieg, tat sich der Himmel über ihm auf, der Geist Gottes fuhr in Gestalt einer Taube auf ihn herab und aus dem Himmel erscholl die Stimme des Vaters: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Alle Evangelisten berichten in ähnlichen Worten über die Taufe.
Dieses wunderschöne, qualitätvolle Hinterglasbild hat diesen Augenblick festgehalten. In der Mitte steht Johannes und hält die Taufschale über Jesus. Auf der linken Seite schaut eine lebhafte Menge Volk, Männer, Frauen und Kinder, der eigentlichen Szene interessiert zu, während rechts zwei Engel dargestellt sind, die Jesus Tücher reichen, um sich zu trocknen und zu bedecken. Von diesen hilfreichen Geistern ist in den Evangelien natürlich keine Rede; sie entspringen der künstlerischen Phantasie des unbekannten Malers und sind als solche Zeichen einer Zeit, in der Dekoratives, Erzählendes auf einem Kunstwerk nicht fehlen durfte. Wie der Begriff „Hinterglasbild“ schon sagt, ist das Bild fest mit dem Glas verbunden, hinter das Glas gemalt, mit kräftigen, kalten Farben, die mit Bindemitteln an der Glastafel haften. Seit dem frühen 18. Jhrd. löste das Hinterglasbild – meist mit religiösen oder bäuerlichen Themen – den Holzschnitt, den Kupferstich oder das Wallfahrtsbildchen in den katholischen, bäuerlichen Wohnstuben ab, brachte Farbigkeit in den düsteren, meist nur schwach beleuchteten Raum. Einigermaßen trocken musste die Stube allerdings sein, damit die Farben, die nicht eingebrannt waren, dauerhaft am Glas hafteten. Auch in Wegekapellen hingen oft Hinterglasbilder; wegen der hier herrschenden Feuchtigkeit begann die Farbe aber bald abzublättern. Perfekt erhaltene Hinterglasbilder sind daher verhältnismäßig selten.
Ausgeführt wurde dieses Kunstwerk anfangs rings um die alten Glashütten. Sprödes, leicht zerbrechliches, etwas grünliches Glas wurde von hinten bemalt und mit schlichtem Weichholzrahmen eingefasst. Abnehmer der preiswerten Ware waren von allen Bauern, Bergleute und der ländliche Klerus. Später wurde Augsburg ein Zentrum der Hinterglas-malerei; die sich von hier aus in den gesamten südbayrischen Raum ausbreitete, mit durchaus unterschiedlichen regionalen Ausprägungen. Wie auch die Schnitzwaren der Region so wurde nun auch die Hinterglasmalerei kommerziell verwertet. „Kraxenträger“ brachten sie überall hin, zu den Jahrmärkten, den Wallfahrtsorten, überall dorthin, wo Nachfrage nach diesem Hausschmuck bestand.
Eine hohe Wertschätzung erfuhr diese alte Hauskunst lange nicht. Erst gegen Ende des 19. Jhrd., als Museen für Volkskunde gegründet wurden, erwachte das Interesse an diesen Objekten, und bald entdeckte sie auch der private Sammler für sich. Deutlich, wenn auch sehr charmant formulierte der Schweizer Schriftsteller Max Picard 1918 sein Urteil zum selben Thema: „Das Hinterglasbild ist das Volkslied in der Malerei.“
Unser Hinterglasbild der Taufe Christi im Landschaftsmuseum dürfte aus der 1. Hälfte des 19. Jhrd. stammen und dem Augsburger Raum zuzuordnen sein. Es ist nicht mehr in der „primitiven“ Schlichtheit der frühen Zeit gemalt, sondern atmet den Glanz der späten Barockmalereien in bester Qualität. Dazu ist es in einem hervorragenden Erhaltungszustand; es kam 1960 aus einer bekannten Seligenstädter Familie zusammen mit zwei weiteren Hinterglasbildern der gleichen Art ins Museum. Besuchen Sie sie mal!
Margret Schöneich