Vorwort

Im Sommer 2005 erwarb der Verein zur Förderung des Landschaftsmuseums Seligenstadt drei historische Gästebücher, die seit dem späten 17. Jahrhundert in Seligenstädter Wirtshäusern auslagen und seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Privatbesitz der Öffentlichkeit kaum noch zugänglich waren. Gleichzeitig wurde der zu den drei Büchern gehörige etwa 80 cm lange und mit einer vierzehngliedrigen Kette versehene holzgeschnitzte Trinklöffel angekauft, dessen vergoldete tiefe Trinkschale 1 Liter Wein fasst.

Dieser große Löffel war um das Jahr 1690 von dem wohlhabenden Augsburger Handelsherrn Georg Dempf für das Seligenstädter Wirtshaus „zum Ochsen“ gestiftet worden, in dem die Fernhändler gerne abstiegen, wenn sie auf dem Weg zur Frankfurter Messe waren. Der kunstvolle Löffel war nach dem Vorbild eines älteren Löffels gearbeitet, den der Gastwirt „zum Wolfen“ in Seligenstadt in den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts anfertigen ließ. Löffel und Gästebuch wurden von den vornehmen Reisenden gut aufgenommen, da sie ihre traditionellen, in den Gilden der Reichsstädte üblichen Trinkrituale, gerne auch auf Reisen pflegten. So entwickelte sich im „Wolfen“, dann im „Ochsen“ und seit 1742 im Gasthaus „zur Krone“ eine Zeremonie des gemeinsamen Zutrinkens der Reisegruppen, bei der Neulinge im Handlungswesen „gehänselt“ wurden und man sich anschließend zum „ewigen Angedenken“ in das beiliegende Gästebuch einschrieb. Im Lauf der Jahrhunderte vielfach modifiziert, wird das Löffeltrunkritual noch heute von der Seligenstädter „Ordensbruderschaft zum Steyffen Löffel“ weitergeführt.

Engagierte Seligenstädter Bürger erkannten vor einigen Jahren die Bedeutung der drei seit 1690 zum „Augsburger“ Löffel gehörenden historischen Gäste- oder Löffelbücher mit ihren vielen tausend Autographen. Interessante, in ihrer Zeit oft bedeutende, teilweise noch heute bekannte und meist wohlhabende Persönlichkeiten, die es sich leisten konnten, in einem guten Wirtshaus abzusteigen, schrieben sich hier ein. Diese Bücher stellen eine wichtige historische Quelle dar für zukünftige Forschungen nicht nur zur Orts- und Familiengeschichte, sondern auch zu überregionalen politischen Ereignissen und zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. So entschied sich der Förderverein des Landschaftsmuseums, die Gästebücher wissenschaftlich erschließen und zunächst die Autographen transkribieren zu lassen, um sie so einem breiteren interessierten Publikum zugänglich zu machen.

Nach fast zwei Jahren Arbeit ist die Transkription nun abgeschlossen und liegt in ausgedruckter Form und als Computerdatei vor. Die handschriftlichen Eintragungen in nahezu allen in Europa gebräuchlichen Sprachen und etlichen Dialekten wurden – bis auf einige Zeilen in arabischen und hebräischen Schriftzeichen und mehrere völlig verblasste oder unlesbar gemachte Eintragungen - buchstabengetreu aus gotischer und lateinischer Kursive in moderne Druckschrift übertragen, die Groß- und Kleinschreibung im Original blieb unverändert. Jeder der drei Bände wird durch ein alphabetisches Personenregister erschlossen.

Die von mir durchgezählten Buchseiten der Originalfolianten sind in der Transkription kursiv, fett und in runden Klammern wiedergegeben, eventuell nötige Ergänzungen und kurze Anmerkungen erscheinen kursiv in runden Klammern.

Zitiervorschlag: Seligenstädter Gästebücher = SelGb. Bd. 1, S. 1.

Seligenstadt, im Januar 2008

Ingrid Firner

zurück